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[339] Am südwestlichen Fuß des Harzes.

Das Innere von Hermanns Zelt. Hermann und ein Chatte.


HERMANN. Was für Narrenpossen zeigst du mir?

DER CHATTE. Kerbstöcke, welche dir, wenn du die deinigen[339] dagegen hältst, beweisen werden, daß sie ineinander passen, und ich der bin, welcher ich war.

HERMANN sieht ihn scharf an. Ich erinnre mich deiner, und kenne dich ehrliche Haut. Du warst in meiner Nähe, als wir am Niederrhein gegen die Gallier fechten mußten. – Dein sicherster Kerbstock ist dein ehrliches Gesicht. – Was hast du zu melden?

DER CHATTE. Laß mich zu Atem kommen. Drei Tage und drei Nächte lief ich zu dir und vergaß Essen, Trinken und Schlaf.

HERMANN. Deine Hand.

DER CHATTE. Die Gnade! Himmel, wer ist glücklicher als ich?

HERMANN. Vielleicht ein Fürst, dem solche Bauern dienen.

DER CHATTE. – Ja, was ich zu berichten habe: deine heimlichen Auffoderungen fanden in jedem Ohr einen fruchtbaren Boden und donnerndes Trommelfell, von der Werra, Fulda stürmen alle Waffenfähigen heran. Wir halten kaum die Kinder zurück. He, das tun die unmäßigen Steuern, der Hochmut und die Gewalttätigkeiten der Eindringlinge! Sie wollten erobern, uns das Blut auspressen, hättens auch tun können, wären sie sachter zu Werk gegangen, doch nun kriegen sie mit deiner Hülfe alle tausend Schwerenot –

HERMANN. Sei du auch sachter. – Wie stark seid ihr?

DER CHATTE. Sechstausend Mann zu Pferd, zwölftausend zu Fuß.

HERMANN. Wo steht ihr?

DER CHATTE. Zwischen den Quellen der Lippe und Ems.

HERMANN. Eile dahin zurück, rate Geduld –

DER CHATTE. Mit der hälts schwer.

HERMANN. Sie soll nur ein paar Tage dauern. Wer siegen will, muß auch zu lauern und zu warten wissen. Dann aber, wann das teutoburger Waldgebirg vor Kriegs- und Waffenlärm aufbrüllt, wie ein ungeheurer aus Gebirgen gegliedmaßter Auerstier, mit den rauschenden Mähnen seiner Forsten; – merkt ihr dann, daß die Legionen stiller werden, so brecht auf aus eurem Standlager und sperrt den Überbleibseln die Flucht.

DER CHATTE. Nimms nicht übel: abgenagte Knochen mögen wir so wenig als deine Cherusker. Wir sind früher und bevor die Forsten vom Geschrei der Römer still werden, zu deiner Hülfe da, der Chatte will auch ein Blatt von[340] eurem Siegeskranz, mit dem du bloß dich und deine Cherusker zu schmücken gedenkst. Ab.

HERMANN. Die Eifersucht laß ich mir gefallen.

VARUS hinter der Szene. Halt. Gefolg, warte. Er tritt ein. Bin ich nicht raschen Entschlusses?

HERMANN. Ich verstehe dich nicht.

VARUS. Bei diesem gegen alle Berechnung zu früh eingebrochenem Tauwetter erstürmen wir den jetzt so schlüpfrigen Harz nicht. Leg deinen Harnisch an. Wir brechen auf und ziehn wieder nach Cheruska, zu deiner Grotenburg.

HERMANN. Immerhin wär ein letzter Versuch gegen den Harz ratsam, schon wegen des Berichts nach Rom.

VARUS. O zu dem Bericht hab ich meine gewandten Schreiber, sie machen auf ihrem Papier Gold aus Blei, aus einer verunglückten Unternehmung den herrlichsten Sieg. – Unnützes Römerblut soll jene Klippen nicht schmücken.

HERMANN für sich. Hegs auf! Es wird eine ewige goldne Krone meines Landes!

VARUS während Hermann sich die Rüstung anlegt. Ich verschiebe den Angriff bis zum Sommer. Da werden meine Legionen dich lehren, wie Südländer die Hitze aushalten, ohne flau zu werden.

HERMANN. Wir Nordländer sind mehr an Sturm, Regen und Schnee gewöhnt.

VARUS. Bist du fertig mit deinem Anzug?

HERMANN. Nur diese Spange noch –

VARUS. Weshalb läßt du dich nicht von deinen Dienern ankleiden?

HERMANN. Ich habe nicht gern fremde Fäuste am Leib. – Knecht! Ein Knecht tritt ein.

Wir reisen nach Haus. – Sattle –

DER KNECHT. Ist schon geschehen. Ich hörte von der Abreise. Die Gäule stehn bereit.

HERMANN. So führe sie vor die Zelttür.

VARUS. Das geht bei euch geschwind.

HERMANN. Meine Kerle haben Heimweh.

VARUS. An der Schwäche leidet ihr noch?

HERMANN. Wir haben noch nicht die Welt erobert, um überall heimisch zu sein, wie ihr.

VARUS. Wir marschieren mit ein paar Gewaltmärschen zurück über die Weser, zu deinen Hünenringen. Du bleibst beratend[341] in meiner Nähe – doch deine Cherusker und überhaupt sämtliche germanische Bundsgenossen haben sich außerhalb der Heerstraße, zur Seite meiner Krieger zu halten. Sie mögen auf den Höhen rechter Hand mitmarschieren.

HERMANN. Dann inspizier ich sie bisweilen, ab und zu.

VARUS. Das verbiet ich dir.

HERMANN. Nur ihr Herrscher, der ihre Sprache und Sitten kennt, kann jene Horden zügeln. Laß mich dann und wann sie ordnen, oder ich melde dein mißtrauisches, unverzeihliches Betragen gegen mich, welches unsrem gemeinsamen Unternehmen bis jetzt schon viel geschadet hat, dem Kaiser.

VARUS lächelnd. Das wäre!

HERMANN. Genügt dir das nicht, so meld ichs nicht allein dem dahinkränkelnden Schatten des Octavianus Augustus, sondern auch seinem adoptierten Sohn und Nachfolger – Wie heißt er doch? Ein Paket Briefe, welches meine Freunde an ihn absenden werden, liegt schon seit längerer Zeit bereit.

VARUS Schrecken und Schauder unterdrückend. Schäme dich. Wie so leicht vergißt du die erhabensten Namen! Unter ihnen den Namen eines Mannes, welcher die siegsgewaltige Hand auf Rätiens Gebirge legte –

HERMANN beiseit. – dergestalt daß alle Täler Blutkessel wurden, und die Witwen und Waisen die um seine Finger gekrümmten prächtig von Tränen schimmernden Triumphringe –

VARUS. Tiberius heißt der Held und Erbe! Reite meinetwegen dann und wann zu deinem Pöbel, komm indes stets bald zurück, und unterlaß deine unnützen Schreibereien, die man im Kapitol doch nur als Lappalien behandeln, oder gar, mit meinen offiziellen Gegenberichten verglichen, an dem Autor bestrafen würde. – Sitzen wir auf.

HERMANN. Wie du befiehlst.[342]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 3, Emsdetten 1960–1970, S. 339-343.
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